Theaterprojekt «Der Pilz im Patent»

Das Corona-Jahr 2020 war für kulturelle Projekte kein gutes Jahr. Dennoch brachte das Ensemble Metanoia im Dezember die Produktion «Der Pilz im Patent» zur Aufführung. Es war nach beat – me – mich (2017) und mutter – motor (2019) bereits das dritte Theaterprojekt mit Mitwirkenden aus der Mathilde Escher Stiftung.

«Der Pilz im Patent» handelt von der Behandlung von Depressionen mit Substanzen – legalen und illegalen. Die Darsteller Lulzim Plakolli und Alessandro Peter und die Darstellerin Janine Meier thematisierten in den früheren Produktionen ihre Erfahrungen als Menschen mit Behinderungen. Im Gegensatz dazu war das Thema von «der Pilz im Patent» nicht autobiografisch und wurde vorgegeben. «Inklusionstheater ist oft Betroffenheitstheater», sagt dazu Jörg Köppl, der künstlerische Leiter, «das muss überhaupt nicht so sein. Warum sollen Rollstuhlfahrende nicht die Rolle von Fussgängern oder Fussgängerinnen spielen? Umgekehrt geht das ja auch».

  • Schauspieler am proben
  • Lulzim Plakoli und ein Schauspieler am proben
  • Theateraufführung
  • Theater-Musiker am proben
  • Schauspieler und Musiker am proben
  • Zwei Rollstuhlfahrer-Schauspieler bei der Theateraufführung
  • Alessandro Peter bei der Theateraufführung
  • Alessandro Peter und ein Schauspieler bei der Theateraufführung
  • Theateraufführung

Theaterproben und Aufführungen: Janine, Alessandro und Lulzim gehören seit drei Jahren zum Ensemble Metanoia.
© Niklaus Spoerri

Eine Rolle aneignen

«Mir hat das gefallen», erzählt Janine Meier, «es zeigt, dass wir uns professionalisieren». Um die Rollen überzeugend spielen zu können, mussten sie sich in die Charaktere einleben. Sie schauten sich Dokumentationen an, beispielsweise über Roland Kuhn, den früheren Klinikdirektor der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen. Er testete über Jahrzehnte Medikamente an Patienten und Patientinnen ohne deren Einwilligung. Die Rolle von Lulzim orientiert sich daran. «Obwohl ich eine Rolle spiele, hat meine Darstellung aber immer auch eigene Anteile», sagt Lulzim. Um sich mit Kuhn identifizieren zu können, konzentrierte er sich auf dessen menschliche Seiten. «Er hatte edle Motive für die Tests, denn er wollte Depressionen heilen. Dafür war er aber bereit, eine rote Linie zu überschreiten.»

Auch Alessandro musste sich seine Rolle als CEO eines Pharmakonzerns aneignen. Dazu studierte er die Aufzeichnung der Generalversammlung eines Konzerns. «Dort schaute ich mir ab, wie ein Konzernchef spricht.»

Im Gegensatz dazu gab es für die Rolle von Janine Meier keine reale Vorlage. «Aber ich bin nach und nach in meine Rolle reingerutscht. Ich habe bemerkt, wie ich zum Beispiel Wörter anders betone oder ausspreche, als ich es normalerweise als Janine Meier tue.»

Hochdeutsch oder Dialekt

Ein weiteres Zeichen der Professionalisierung war die Sprache. Das Stück wurde auf Hochdeutsch aufgeführt. «Das machte es sogar einfacher, eine Rolle zu spielen, weil ich auch eine andere Sprache sprechen musste», sagt Janine. Lulzim erzählt, dass er anfing, mit allen deutschen Mitarbeitenden in der Mathilde Escher Stiftung Hochdeutsch zu sprechen, um es zu verinnerlichen.

Aufführungen «Der Pilz im Patent» im Kunstraum Walcheturm: Die drei Vorstellungen waren ausverkauft.
Video: Luis Hüsler

Verein «Kein Rollenspiel»

Mit der Professionalisierung ihrer Theatertätigkeit ist es Janine, Alessandro und Lulzim ernst. Deshalb haben sie 2019 den Verein «Kein Rollenspiel» gegründet. Der Verein soll schon bald Workshops zu Theaterthemen anbieten: zum Beispiel zu Schauspielerei, zum Texten oder auch zu Projektfinanzierung. Und schliesslich soll der Verein auch eigene Projekte mit selbstgewählten Inhalten produzieren. Es geht nicht zuletzt darum, wie die Projekte von Aussen wahrgenommen werden: «Wir sind Schauspieler und Schauspielerinnen», sagt Janine, «und nicht Rollstuhlfahrende, die einfach in Jörgs Produktionen mitspielen».

Mitglieder gesucht

Der Verein steht grundsätzlich allen Menschen offen, die sich für Theater engagieren wollen. «Wir wollen breiter aufgestellt sein. Interessierte sind herzlich willkommen», betonen die drei Gründungsmitglieder.

Lust mitzumachen? Alessandro Peter gibt Auskunft: alessandro.peter@bluewin.ch

Der Pilz im Patent - Verstimmung, Klinik, LSD
Eine Produktion des Ensembles Metanoia